Montag, März 19, 2007

Ojos del Salado

Dann versuche ich mich mal daran, die ganze lange Zeit, die unsere Expedition gedauert hat, zusammenzufassen. Eine Expedition war es wirklich, wir waren am ersten Tag noch schnell im Supermarkt und die Rechnung wurde mehrere Meter lang. Ich verstehe immer noch nicht, wie das alles auf die Ladeflaeche von dem Toyotajeep gepasst hat. Und wir waren 12 Tage lang total abseits von jeglicher Zivilisation. Ohne Dusche (und das, wo ich normalerweise so gerne jeden Tag dusche), ohne die Moeglichkeit, Geld auszugeben und ohne Spiegel. Eigentlich war es fast so, wie im Kloster, ausser, dass es dort eine Dusche gab. Nee, eigentlich war es ganz anders. Wir waren ganz alleine mit und in der Natur. Fuer mich war das die laengste Zeit ueberhaupt in der Pampa, meine weitgereiste Mama war schon Nepaltrekkingerprobt.

Auf jeden Fall sind wir nach einem total hektischen Tag (an dem ich auch meinen letzten Eintrag geschrieben habe und wir mit allen Kraeften versucht haben, unsere Ausruestung aufzustocken) mit dem Nachtbus nach Copiapó gefahren, wo uns - da der Buss zu flott war - nach einer Stunde warten um 05.00 Uhr morgens Carlos, unser Guide abgeholt hat. Der erste Eindruck war: der sieht ja gar nicht aus, wie ein Bergfuehrer! Das hatte aber die einfache Erklaerung, dass wir es nicht nur mit einem normalen Guide, sondern auch mit einem Photographen zu tun hatten, der praktischerweise unsere Reise gleich mitdokumentiert hat. Seine schoenen Bilder von Chile und der Welt sind auf der Seite Photo Adventure zu bewundern.



Dann wurden wir gluecklicherweise noch in ein Hotel gesteckt, wo wir bis mittags schlafen durften, um danach wie oben beschrieben diesen Monstereinkauf zu erledigen. Nachmittags nach einem Mittagessen im Restaurant Bavaria ging es endlich richtig los - zu der Laguna Santa Rosa auf 3.700 Metern Hoehe. Dort gibt es nur die Lagune, Flamingos und ein paar Vicuñas - das sind so Lamas in wild und kleiner und mit weniger Fell. Und eine einzige Huette mit Blick auf die Lagune, die gluecklicherweise leer stand und die wir bezogen haben. Am ersten Tag sind wir auf einen der umstehenden Gipfel gestiegen und am naechsten Tag haben wir die Lagune umrundet. Das ging gegen den Uhrzeigersinn - sehr seltsam - war aber wunderschoen. Am Rand der Lagune gab es sowas wie eine Salzwueste. Carlos hat sich als supernett entpuppt, uns auf Haenden getragen und wahnsinnig gut bekocht. Und Spitznamen verteilt - Mama Mía fuer die Mama und Prinzipetza fuer mich.

Die naechste Etappe war die Laguna Verde auf 4.400 Metern Hoehe. Da war die Luft schon ziemlich duenn. Und in der Nacht war es nicht gerade kuschelig warm. Aber es gab heisse Thermen - das Paradies - und einen atemberaubenden Sternenhimmel. Ich bin auf die glorreiche Idee gekommen, die Lagune zu umrunden und mal wieder richtig schoen alleine zu sein. 3 Stunden spaeter wurde ich mit dem Auto abgeholt und fast nach Hause geschickt... Wenn man einen Guide hat, geht man wohl nicht alleine los, da der ja die Verantwortung fuer einen traegt. Da hab ich schon wieder was Neues gelernt.

Am naechsten Tag kam der Haertetest - wir sind auf einen Vulkan namens Mulas Muertas gestiegen und wurden gescheit durchgetestet. Ich bin echt ins Schnaufen gekommen, was aber nicht weiter verwunderlich ist, da man da oben schon bei den normalsten Taetigkeiten schauft. Die Sache hat sich aber schon alleine wegen der Aussicht gelohnt - eine Vulkanlandschaft mit noch ein paar Graesern weiter unten und danach nur Geroell, Sand und Asche. Alles tot. Ausser uns. Und staubig.


Und dann ist es so richtig ernst geworden. Aber davon spaeter mehr, ich brauch ein Schreibpaeuschen...

So, jetzt habe ich genug Schreibpaeuschen einglegt und kann munter weiterklackern. Nun ist es also ernst geworden. Und zwar haben wir das Basislager des Ojos auf 5.200 Metern Hoehe bezogen, das auf dem Bild unten zu bewundern ist. Von dort aus sieht der Gipfel gar nicht weit weg und auch nicht sehr hoch aus. Aber das taeuscht gewaltig. Da oben war es schon ziemlich kalt und windig, dafuer gab es nachts einen wunderschoenen Sternenhimmel. Und tagsueber konnte man in Windschatten sogar einen auf Strand machen. Das durften wir einen ganzen Tag lang so richtig geniessen - wir haben einen Ruhetag eingelegt, um uns bestmoeglich zu akklimatisieren. Nebenbei war ziemlich was los, da unsere Landsleute versucht haben, den Hoehenweltrekord mit dem Auto zu brechen, was sie auch schaffen sollten. Mehr dazu unter Hoehenrekord 2007. Dort kann man auch lesen, dass die sich ganz anders auf den Aufenthalt in der Hoehe vorbereitet haben. Und zwar mit einer "Vorrichtung, die dem Anwender ein hypoxisches (sauerstoffreduziertes) Gasgemisch mit einem für die Atmungsstimulation optimalen Kohlendioxidgehalt und einem angenehmen Feuchtigkeitsniveau bietet und somit an jedem Ort ein Training oder eine Therapie unter Bedingungen erlaubt, die normalerweise nur im Gebirge gegeben sind." Krass! Wir mussten statt dessen nach unserem Ruhetag alles fuer unsere Nacht vor dem Gipfeltag und den besagten Tag selber in das Hochlager Tejos auf 5.800 Metern schleppen. Die Aktion hat die Stimmung etwas gedrueckt und wir hatten einen echten Krisentag. Aber das gehoert wohl dazu. Auf der Hoehe sind alle Gefuehle viel intensiver. Der Krisentag war derart kriselig, dass unser Guide am naechsten Tag nicht wie geplant mit uns zum Hochlager aufbrechen wollte, sondern uns den Sicherheitstag als weiteren Ruhetag verschrieben hat. Ruhetag heisst schlafen und essen und das konnten wir beide mehr oder weniger. Fuer mich waren 3 bis 4 Stunden Schlaf schon viel, dafuer konnte ich immer gut essen.


Daraufhin ist es noch ernster geworden und wir sind zum Hochlager Tejos aufgebrochen. Auf dem Weg war ich ploetzlich total schlappi (das Mal davor ging es eigentlich ganz gut) und musste mich zu jedem Schritt aufraffen. Schlechtes Timing! Die hoechste Nacht unseres Lebens fand ich dann eigentlich ziemlich gemuetlich, da es da oben eine echte Huette (davor haben wir in Zelten geschlafen) mit Matratzen gab. Wir konnten alle ein bisschen schlafen, was auf einer solchen Hoehe nicht gerade selbstverstaendlich ist. Die Nacht war nur etwas kurz, da wir uns den Wecker auf 4.00 Uhr morgens gestellt haben, um gegen 5.00 zum Gipfel aufzubrechen. Die Mama ist leider in der Huette geblieben, da sie meine Gipfelchancen nicht vermasseln und ihren Hoehenrekord in aller Ruhe selber brechen wollte. So mussten Carlos und ich alleine raus in die Kaelte (mehrere Minusgrade, die ich durch meinen Endless Summer gar nicht mehr gewoehnt bin). Ich hatte einen Wahnsinnsrespekt vor dem hoehsten Vulkan der Welt, ein paar Tage zuvor ist auf der argentinischen Seite einer an einem Gehirnoedem gestorben und im Huettenbuch konnte man auch von viel Kaelte, Wind, Schnee und Leid lesen.

Wir hatten zum Glueck perfekte Konditionen: nicht zu viel Wind und Schnee und nicht zu kalt. Die Sterne waren zum greifen nahe und ich habe sogar ein paar Sternschnuppen gesehen. Erst ging es locker flockig einen breiten Weg entlang, dann haben wir ein Bachbett ueberquert und danach wurde es langsam hart und steinig und steil. Der Ojos ist wirklich nicht schwer zu besteigen, aber in der Hoehe ist alles schwieriger. Zumindest fuer mich. Irgendwie bin ich in keinen anstaendigen Rhythmus gekommen und immer langsamer geworden. Nebenbei daemmerte der Morgen. Bei Sonnenaufgang haben wir 6.000 Meter erreicht und ein kleines kurzes Paeuschen eingelegt, um die atemberaubende Aussicht zu geniessen. Danach ging es das grosse Lavafeld hoch, immer schoen in Serpentinen. Ich konnte noch ungefaehr eine Stunde einigermassen ordentlich (wenn auch unendlich langsam) weitergehen und dann ging leider irgendwann erst immer weniger und dann gar nichts mehr. Ich musste immer mehr Paeuschen einlegen und irgendwann war glasklar, dass der Gipfel leider nicht drin ist. Aber wir sind immerhin so zwischen 6.300 und 6.400 Meter hoch gekommen, also fast bis unter den linken Finger auf dem Bild, von wo aus man das Eisfeld ueberquert. Schade, das haette ich echt gerne noch gemacht. Naechstes Mal. Wir hatten eine Bombenaussicht, die wir ausgiebig genossen haben, bevor es im Lawinentempo wieder bergab und zur Mama ging, die schon gutgelaunt mit gebrochenem Hoehenrekord (ueber 6.000) auf uns gewartet hat. Boah, und dann mussten wir am selben Tag das Hochlager raeumen, runter ins Basislager schlappen, dort die Zelte abbrechen und in Laguna Verde wieder aufbauen. Ganz schoen anstrengend! Das hat sich aber gelohnt, das Bad am Abend in der heissen Therme war eines der schoensten ueberhaupt! Am naechsten Tag sind wir wieder zurueck in die Zivilisation und dirket auf einen Kaffee ins Einkaufszentrum, was nach so langer Zeit mit so wenig Menschen und unendlich viel Platz und Freiheit etwas seltsam war. Danach sind wir zur Belohnung in ein schickes Hotel an den Strand, wo wir ausgiebig geduscht und gebadet, gut gegessen und endlich mal wieder nen Bier getrunken haben.

Das war es dann mit unserer schoenen Expedition. Am naechsten Tag ist die Mama nach einem traenenreichen Abschied nach Santiago geflogen und Carlos hat mich netterweise mit nach San Pedro de Atacama genommen. Der ist jetzt schon wieder auf einer neuen Expedition, um den Pissis und den Ojos neu zu vermessen. Es koennte naemlich sein, dass der Ojos der hoechste Berg Amerikas ist. Das waere natuerlich der Wahnsinn. Aber da der Aconcagua erst im Fruehling neu vermessen werden kann, wird das Ergebnis wohl noch etwas auf sich warten lassen.

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